Mal so nebenbei…

Überwachungsstaat M-V: Ab 1. Juli Realität

In der gestern zu Ende gegangenen zweitägigen Sitzung des Landtages in Schwerin wäre es beinahe unbemerkt geblieben. Die Nachricht hat es aber dennoch in sich. Die Regierungskoalition – bestehend aus den großen Bürgerrechtsparteien CDU und SPD – hat gleich in einem Rutsch das Landesverfassungsschutzgesetz sowie das Sicherheits- und Ordnungsgesetz geändert. Vom 1. Juli 2013 an dürfen sogenannte Bestandsdaten, also eMail-Passwörter, Handy-PINs oder andere Anmeldedaten ohne Zustimmung eines Gerichts oder Kontrolle durch das Parlament von Angehörigen der Landespolizei und des Verfassungsschutz abgefragt werden. Und was macht man mit eMail-Passwörtern? Genau, man liest damit eMails.

Das Spiel ist immer das gleiche. Der Landesdatenschutzbeauftragte ist empört, die Oppositionsparteien leisten sich ein paar Gegenstimmen und die Gesetzesverschärfung kommt trotzdem durch. In den Leitmedien des Bundeslandes herrscht das große Schweigen. Ob auf den Twitter-Accounts der Partei-Webseiten oder in den Tageszeitungen. Allein in der Ostsee-Zeitung schaffte es ein kleiner Kommentar auf der zweiten Seite und ein kurzer Bericht auf Seite sechs in die Printausgabe. Nüchtern heißt es dort: „Mecklenburg-Vorpommern wird zum Überwachungsstaat“.

Als ob das Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) des Landes nicht schon hart genug wäre, wurde es in der letzten Juni-Sitzung des Landtages noch einmal deutlich verschärft. Die Debatte um die Ausweitung und die Rechtmäßigkeit der Bestandsdatenauskunft, die bisher auf Bundesebene geführt wurde, erreicht damit das Land. Von nun an garantiert das Landesgesetz den Mitarbeitern von Verfassungsschutz und Landespolizei den reibungslosen Datenzugriff. Und das ohne den/die Betroffene/n darüber informieren zu müssen.

Diese Änderung wird von der Regierungskoalition als alternativlos hingestellt und sei durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu „manuellen Auskunftsverfahren“ gemäß des Telekommunikationsgesetzes (TKG) notwendig geworden. Im Parlament argumentierte man dann in schönstem Neusprech, dass man zu diesem Schritt gezwungen sei, weil das Gericht festgestellt habe, dass die bisherige Praxis illegal sei. Daraus aber die Notwendigkeit abzuleiten das Grundrecht auf das Fernmeldegeheimnis noch weiter einzuschränken, ist ein Kunststück, das nur Konservative und Sozialdemokraten (und außerhalb MVs auch sogenannte „Liberale“) hinbekommen.

Dementsprechend heißt es im 20-seitigen Gesetzesentwurf, der als parlamentarische Drucksache 6/1630 geführt wird, unter dem Stichpunkt „Alternativen“: Keine. Über die Tragweite dieser Entwicklung dürften sich jedoch nur die wenigsten im Klaren sein. Während man in den Stasi-Gedenkstätten seit Tag und Jahr zur Bevölkerung predigt, wie willkürlich der Totalitarismus in der DDR gewütet hat, indem sich Polizei und Staatssicherheit heimlich Zutritt zu den Wohnungen Verdächtiger und unliebsamer Bürger beschafft hatten. Wo unbemerkt Schlüsselkopien angefertigt und Telefone belauscht wurden.

Doch welche Praxis steht dem heute gegenüber? In Zukunft wird es so sein, dass ein Polizeibeamter heimlich und in Eigeninitiative bei der Ermittlung von geringfügigen oder politischen Straftaten und selbst bei Ordnungswidrigkeiten (vulgo Falschparken) das sogenannte „manuelle Auskunftsverfahren“ zum Erlangen von Bestandsdaten als Ermittlungswerkzeug nutzen kann. Zu diesen Bestandsdaten gehören nun:

  • Die Art des Vertragsverhältnis beim jeweiligen Dienstanbieter (also etwa Telefon- oder Internetanbieter, aber auch Cloudservices, Mail-Anbieter, Bloghoster etc.)
  • Kunden und Teilnehmerdaten bei eben diesen Dienstanbietern, also Name, Anschrift, Geburtsdatum, Rufnummern, Anschlusskennungen, SIM-Kartennummern von „Mobilfunkendgeräten“
  • IP-Adressen bzw. die Auskunft über die zur Ermittlung von Anschlußinhabern notwendigen Daten
  • „Daten zum Zugriff auf Endgeräte“ – das bedeutet, die Passwörter, PIN und PUK von Handys, Smartphones, Mail-Accounts, Blogs und Websites

Und das alles ohne irgendeine parlamentarische Kontrollkommission, einem Richter oder der/dem Betroffenen selbst Auskunft darüber geben zu müssen. Was haben wir angesichts solcher Gesetze doch für ein ausgesprochenes Glück, dass wir in einem Rechtsstaat leben, in dem diese ganzen Maßnahmen natürlich nicht zu unserem Nachteil ausgelegt werden.

(quelle: Kombinat-fortschritt.com)

Wählt die Piraten! 🙂

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